Übergabe der Trophäe des Föderalismuspreises an das Forum für die Zweisprachigkeit
- Föderalismus
- Verständigung und innerer Zusammenhalt
- Föderalismuspreis
Der schweizerische Föderalismus ist von unten nach oben gewachsen: Es waren die Kantone, die sich 1848 im Bund zusammenschlossen. Heute ermöglicht er uns, in Diversität zusammenzuleben, fördert die Identifikation mit der Politik und befeuert kleinräumige politische "Experimente".
Föderalismus ist, wenn die politische Entscheidungskompetenz auf mindestens zwei Ebenen verteilt ist (Nichtzentralisierung): auf die Gliedstaaten respektive die Kantone (self-rule) sowie den gemeinsamen Bund (shared rule). Entscheidend ist, dass diese Machtteilung weder durch die zentralstaatlichen Institutionen noch die Gliedstaaten alleine geändert werden kann, sondern es eines Kompromisses bedarf – bei dieser und weiteren wichtigen politischen Fragen. Kern föderaler Staaten ist also ein bestimmter Grad an Autonomie der Gliedstaaten einerseits und ihrer Mitwirkung auf nationaler Ebene andererseits.
Die schweizerische Spielart zählt zur Kategorie des "coming together"-Föderalismus: Es waren die Kantone, die 1848 zusammenkamen, um einen Bundesstaat auf Basis einer gemeinsamen Verfassung zu bilden.
Föderalismus als Labor: Im schweizerischen Föderalismus lassen sich Lösungsversuche für ein und dasselbe Problem in verschiedenen Kantonen testen und im Erfolgsfall grossflächig anwenden.
Die wesentlichen Elemente der 1848 beschlossenen Bundesverfassung gelten bis heute: die Kompetenzvermutung zugunsten der Kantone, die Organisationsautonomie der Kantone oder die institutionelle Ausstaffierung, etwa mit dem Ständerat.
Die politische Macht ist in der Schweiz auf die rund 2148 Gemeinden, die 26 Kantone und den Bund aufgeteilt. Wenn immer möglich werden die Entscheide auf Kantons- oder Gemeindeebene getroffen. Gemäss dem Subsidiaritätsprinzip übernimmt der Bund lediglich Aufgaben, die ihm die Kantone übertragen, weil sie besser im Verbund gelöst werden.
Darunter fällt beispielsweise die Aussenpolitik. So werden die Beschlüsse möglichst auf derjenigen Ebene getroffen, die es betrifft: ein Schulhausbau auf Gemeindeebene, Änderungen im Polizeigesetz vom Kantonsparlament und der UNO-Beitritt von allen Schweizer Bürgerinnen und Bürgern.
26 Kantone, 2172 Gemeinden: Der Föderalismus sichert das Zusammenleben unterschiedlicher Räume und Gemeinschaften in einer Einheit.
Der Föderalismus gehört neben dem Rechtsstaat, der direkten Demokratie und der Sozialstaatlichkeit zu den konstitutiven Grundpfeilern der schweizerischen Bundesverfassung. Den Kantonen gewährt er Autonomie. Die verschiedenen kulturellen Räume und Gemeinschaften haben es in der Hand, je eigene Problemlösungen zu entwickeln. Für diese dezentrale Organisation von unten nach oben sprechen unter anderem die folgenden Überlegungen:
Der Föderalismus dient dem friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher Räume und Gemeinschaften in einer Einheit. Er erlaubt passgenaue Lösungen für regionsspezifische Probleme und Bedürfnisse. Gleichzeitig gibt er eine Struktur, um gemeinsame Entscheide zu treffen.
Dass die Entscheide "vor Ort" gefällt werden können, steigert die Identifikation mit politischen Beschlüssen.
Im schweizerischen Föderalismus lassen sich Lösungsversuche für ein und dasselbe Problem in verschiedenen Kantonen testen und vergleichen. Verläuft ein politisches "Experiment" in einem Kanton oder einer Gemeinde erfolgreich, lässt sich das Konzept im Sinne von Best Practice grossflächig anwenden. Das fördert Innovation. Zudem ist dieser Laborföderalismus kosteneffizient und wenig risikoreich, wirken sich doch allfällige Fehlentscheide nur auf das jeweilige Gemeinwesen aus.
Das sind für die ch Stiftung Gründe genug, sich tagtäglich für den Föderalismus sowie für dessen Erneuerung und Weiterentwicklung einzusetzen – seit nunmehr über 50 Jahren, seit der Gründung im Jahr 1967.
Neben der rechtlichen und politischen Autonomie der Gliedstaaten (self rule) ist auch die shared rule ein zentrales Merkmal des Föderalismus. Dieses besagt, dass die Gliedstaaten an der Willensbildung des Gesamtstaats mitwirken. Die Kantone in der Schweiz haben via Ständerat – der indes keine reine Kantonskammer ist, sondern vom Volk gewählt wird – und bei Verfassungsänderungen via das Ständemehr eine starke Vetomacht. Beim Bundesrechtsvollzug wie auch bei der Erarbeitung von Bundesvorlagen nehmen die Kantone ebenfalls eine entscheidende Rolle ein. Insbesondere im vergangenen Jahrzehnt haben die Kantone ihre Einflussnahme zudem diversifiziert und für verschiedene Aktivitäten zusammengespannt. Exemplarisch hierfür steht das Haus der Kantone; hier versammeln sich unter anderem die Konferenz der Kantonsregierungen und die Direktorenkonferenzen.
Der Föderalismus ist in der Bundesverfassung an prominenter Stelle festgeschrieben. In Artikel 3 ist verankert, dass die Kantone "souverän" sind und alle Rechte ausüben, "die nicht dem Bund übertragen sind". Welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen, heisst es in Artikel 43 weiter, bestimmen sie selbst. "Der Bund übernimmt nur die Aufgaben, welche die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedürfen." (Art. 43a Abs. 1 BV)
Seit der Verfassungsrevision von 1999 sind auch die Gemeinden als konstituierende Elemente des schweizerischen Föderalismus erwähnt. In Art. 50 Abs. 1 BV steht: "Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet."
Die Menschen bewegen sich in der globalisierten Welt kaum mehr in der historisch gewachsenen Gebietskörperschaft: Die von den Menschen genutzten Räume decken sich immer weniger mit den politisch-institutionellen Räumen. Diese Entwicklung hat auch einen Einfluss auf den Föderalismus: neue Kooperationsformen sind gefragt, beispielsweise über die Landesgrenzen hinweg oder tripartit, also zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden.
ch.ch, die Dienstleistungs-Website von Bund, Kantonen und Gemeinden, erklärt den schweizerischen Föderalismus.