Medienförderung: Was die Kantone tun können

Stephanie Grubenmann und Konrad Weber, 14. Februar 2023

Eine Analyse im Auftrag der Stiftung Mercator Schweiz zeigt, dass die Krise im Lokaljournalismus angekommen ist. Die Handlungsfelder wurden identifiziert – die Handlungsmöglichkeiten sind vielfältig. Die Kantone werden aufgefordert, die Zeit bis zu einem neuen nationalen Konsens konstruktiv zu nutzen.

Der Lokaljournalismus in der Schweiz kämpft seit Jahren um sein Überleben. Seit 2003 wurden über 70 Regionaltitel eingestellt. Mit dem Nein zum Mediengesetz im Februar 2022 hat sich die Lage zusätzlich verschärft. Wohl kaum umstritten und vielfach gezeigt: Lokale Medien sind wichtig für den demokratischen Prozess – bei der Meinungsbildung und zur Stärkung der kritischen Öffentlichkeit.

Die Stiftung Mercator Schweiz hat vor diesem Hintergrund eine explorative Analyse in Auftrag gegeben: Welche Unterstützung braucht der Schweizer Lokaljournalismus, um nachhaltig überleben zu können? Der entstandene Bericht nach Gesprächen mit fast 30 Journalist:innen, Verleger:innen und Branchenexpert:innen liefert Antworten (siehe Infobox zur Entstehung der Studie).

Medienförderung heute und nicht erst morgen

Die Krise ist im Lokaljournalismus angekommen. Es braucht für das Überleben dieser Verlage jetzt ergänzende Formen der Medienförderung.  Je länger mit der Überarbeitung des Medienfördersystems abgewartet wird, desto mehr Ressourcen wird es insgesamt kosten, die erodierenden Strukturen wiederaufzubauen.

Die Problemanalyse fällt im Detail differenziert aus: Beispielsweise sehen sich Verlage mit urbanem oder ruralem Profil mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Auf einer übergeordneten Ebene gemein ist aber die Suche nach einem nachhaltigen Geschäftsmodell. Damit wird die Analyse von der übergeordneten Frage begleitet, ob Lokaljournalismus in der heutigen Zeit überhaupt noch über den Markt finanziert werden kann.

Gerade bei etablierten Verlagen stellen sich nicht nur wirtschaftliche und strategische Herausforderungen, sondern auch solche im Zusammenhang mit der Entwicklung digitaler Produkte und Erzählweisen. Dies stellt neue Anforderungen an Kompetenzen und Ressourcen. Gleichermassen betroffen sind sämtliche Medienhäuser vom Fachkräfte- und Nachwuchsmangel, der sich über die letzten Jahre verschärft hat (die detaillierte Analyse findet sich im Kapitel «Zusammenfassung der Erkenntnisse» [Seite 24] der Studie).

Seit 2003 wurden über 70 Regionaltitel eingestellt. Die Krise ist im Lokaljournalismus angekommen.

© Unsplash - Austin Distel

Auch die Kantone sind gefordert

In der Entwicklung von Förder- und Finanzierungsmassnahmen braucht es ein agiles, gut koordiniertes Vorgehen – weg vom «grossen Wurf», da dieser mit zu viel Risiko verbunden ist. Projekt- und Anschubfinanzierungen, Infrastrukturförderungen, Investitionen in den Austausch und Know-How-Aufbau sowie Massnahmen zur Sensibilisierung der Problematik: Dies sind vier der fünf konkreten Handlungsfelder, die in der explorativen Studie erkannt werden und aus denen sich mannigfaltige, mögliche Fördermassnahmen ergeben.

Da ein neuer nationaler Konsens Zeit bedarf, die Probleme aber zeitnahes Handeln verlangen, kommen die Kantone ins Spiel – das fünfte Handlungsfeld. Es geschieht in den Kantonen zwar einiges, aber es gibt wenig Austausch, Abstimmung und Koordination zwischen den Kantonen.

Kantonale Lernfähigkeit

Die Kantone können neue Formen der Medienförderung anstossen und sogar selber tragen. So eignen sie sich bestens für einen agilen Ansatz, in dem mehrere Prototypen von Fördermassnahmen parallel aufgesetzt, getestet, evaluiert und dann (potentiell) breiter geteilt werden können.

Bei der Entwicklung und Umsetzung solcher Prototypen gilt es zu prüfen, ob es Ansätze gibt, die eher in die Hände von Stiftungen passen, und was besser bei den Kantonen liegt (z.B. indirekte vs. direkte Förderinstrumente). Eine weitere Möglichkeit ist, dass Stiftungen die Kantone in der Rolle als unabhängige Vermittlerin unterstützen. So oder so: Essentiell sind die Koordination und der Austausch, das Voneinander-Lernen.

Folgende beispielhafte, aber konkrete Massnahmen bieten sich in diesem Handlungsfeld an:

  • Organisation einer Geber:innen-Konferenz in Zusammenarbeit zwischen Kantonen, der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), der ch Stiftung und weiterer Stiftungen.
  • Die Identifikation geeigneter Kantone für Pilot-Kooperation (evtl. BS & BL, FR, VD, GE).
  • Die Unabhängigkeit sowohl durch transparente und überprüfbare Kriterien wie auch durch Expert:innen-Wissen innerhalb des Stiftungskonglomerats sicherstellen.
  • Die Initiierung von Pilotprojekten mit klarem Projekt-Controlling, kontinuierlicher Begleitung/Weiterentwicklung und potentieller Skalierung auf weitere Kantone / nationaler Ebene.

Die Krise im Lokaljournalismus trifft die Kantone sehr konkret – entsprechend ist ein Einbezug dieser politischen Ebene zwingend, um konstruktive und nachhaltige Lösungen entwickeln zu können.

Beim vorliegenden Text handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung der Befunde zu den Möglichkeiten der kantonalen Medienförderung. Quelle ist die Studie «Unterstützung für den Schweizer Lokaljournalismus» von Dr. Stephanie Grubenmann und Konrad Weber im Auftrag der Stiftung Mercator Schweiz. Sämtliche Empfehlungen und detailliertere Beschreibungen finden Sie auch im ausführlichen Bericht. Die Autor:innen Konrad Weber und Dr. Stephanie Grubenmann stehen für einen Austausch zu ihrer Analyse und den abgeleiteten Empfehlungen gerne auch persönlich zur Verfügung.

Wie diese Studie entstanden ist

Mit dem Bericht ist eine Übersicht der dringlichsten Bedürfnisse im Schweizer Lokaljournalismus entstanden – mit einem Fokus auf eigenständige Verlage. Die Analyse basiert auf Interviews mit 28 Personen. Interviewt wurden Chefredaktor:innen und Verlagsleiter:innen von unabhängigen Lokaltiteln sowie Medienexpert:innen.

Die Studien-Autor:innen haben die Stichprobe bewusst in einem iterativen Verfahren zusammengestellt: Nach den ersten Gesprächen wurden weitere Interview-Partner:innen gesucht, um nicht von vorneweg das Sample zu stark einzuschränken.

Der Fokus der explorativen Analyse lag auf dem Profil «Zeitungs- und Digitaljournalismus mit regionalem Informationsanspruch». Die entsprechenden Verlage erhielten bisher nur beschränkt Aufmerksamkeit im Rahmen der Medienförderung, da sie nicht unter die Rundfunkregulierung fallen. Es wurden Verlage aus allen Sprachregionen, aus ruralen sowie urbanen Gebieten einbezogen. Teil der Stichprobe waren sowohl junge Verlage, als auch solche mit Legacy-Profil, die schon länger am Markt, meist mit einem Zeitungsprodukt aktiv sind.


Zu den Autor:innen

Dr. Stephanie Grubenmann hat an der Universität St.Gallen im Team von Miriam Meckel über Innovation im Journalismus promoviert. Danach hat sie mehrere Jahre in diesem Bereich unterrichtet und geforscht. Unterdessen ist sie als Content Strategin bei der Digitalagentur Liip tätig. Sie unterrichtet daneben weiterhin in den Bereichen Journalismus und Digitale Kommunikation.

Konrad Weber ist selbstständiger Strategieberater im Bereich der digitalen Transformation. Er berät Geschäftsleitungen von Unternehmen bei der Entwicklung neuer Strategien und begleitet Teams und Organisationen bei tiefgreifenden Veränderungen. Seit über 13 Jahren ist er in der Medienbranche tätig – vor der Zeit als selbstständiger Berater als Digitalstratege bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF.

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