Staatssache Wein

Mélanie Haab, 16. Dezember 2022

An offiziellen Anlässen servieren die Behörden gerne regionale Spezialitäten, unter anderem Wein. Einige Kantone können sich aus eigenen Weinbergen bedienen, andere küren den Wein, der sie repräsentieren wird. Wiederum andere verzichten auf einen Staatswein. Eine zwangsläufig subjektive Degustation.

Aus Fairnessgründen ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Spiesse der Kantone nicht gleich lang sind, wenn es um die Erzeugung der besten Staatsweine geht. So entfallen laut Swiss Wine, der Vereinigung der Weinbranche, 33 Prozent der gesamten Schweizer Rebflächen allein auf das Wallis. Knapp dahinter folgt der Kanton Waadt mit 26 Prozent. Die gesamte Deutschschweiz besitzt 18 Prozent der Flächen, vor Genf, dem Tessin und der Drei-Seen-Region.

Rund zwei Drittel der Kantone haben eine lange Staatsweintradition, wobei ihre Gepflogenheiten sehr unterschiedlich sind. Seit einigen Jahren sind sich die Behörden bewusst, welches Werbepotenzial die Etikette «Staatswein» bietet, und fangen an, es zu nutzen. Es werden Wettbewerbe durchgeführt, mit denen die besten Tropfen ausgewählt werden. So hat der Kanton Thurgau im November mitgeteilt, er wolle seine berühmten Sorte Müller-Thurgau und andere regionale Spezialitäten noch bekannter machen (siehe Interview mit Walter Schönholzer).

Wozu dient ein Staatswein eigentlich? Er soll natürlich getrunken werden. Aber vor allem geht es darum, das Image der Region an offiziellen Anlässen aufzuwerten oder ihn als Geschenk zu verwenden, wenn Vertreterinnen und Vertreter des Kantons auswärts eingeladen sind. Wichtige Anforderung: Der Wein muss gut sein. Ansonsten kann es sich um eine traditionelle oder eine experimentelle Sorte handeln, um einen kühnen Wein, einen roten oder weissen, eine Assemblage, einen Blanc de Rouge, einen Rosé ... Der Kanton entscheidet, welche Botschaft er verbreiten möchte.

Die verschiedenen AOC

Mit Ausnahme von Fribourg und Appenzell Innerrhoden hat jeder Kanton seine eigene AOC. Aber der Kanton Freiburg, der auch im Lavaux Wein anbaut, zählt zwei AOCs auf seinem Gebiet.

Quelle : Swiss Wine

Die Experimentierfreudigen

Unter den experimentierfreudigsten Kantonen finden sich zahlreiche lateinische. Das ist weniger auf den Röstigraben als auf die Weinbautradition zurückzuführen. So werden im Wallis 4804 Hektaren kultiviert, in Glarus hingegen nur zwei ...

Der Kanton Wallis führt Versuche im Önologie-Labor durch und bewahrt rund 1400 Klone von 17 heimischen Rebsorten auf. Diese riesige Datenbank ist einem Projekt mit der Forschungsanstalt Agroscope und der Gesellschaft der Walliser Rebschulisten zu verdanken. Besondere Erwähnung verdient die Petite Arvine, von der seit 2012 109 Sorten beobachtet werden. 2023 dürfte eine Super-Petite-Arvine ausgewählt worden sein, die zwar Pilzen widersteht, geschmacklich aber unwiderstehlich ist. Das Wallis könnte sich bei den Staatsweinen deshalb als Leader positionieren.

Der Kanton Waadt ist für das Domaine de Marcelin bekannt, sein Ausbildungszentrum für Weinbauern. Dort werden neue Assemblagen mit reizvollen Namen wie Marébène, Trifolies, Célinoir oder – waadtländisch bescheiden – «Quatuor Rouge» getestet. Die Versuche finden hier im Rebberg statt. Erforscht werden unter anderem «die mechanische Bodenbearbeitung für einen herbizidfreien Weinbau, biodynamische Methoden, der Anbau von pilzresistenten Rebsorten, die Nutzung der klonalen Vielfalt traditioneller Rebsorten, die pedoklimatische (A. d. R.: Klimabedingungen ausserhalb des Bodens) Anpassung neuer Rebsorten ...».

Auch im Tessin wird der Wein unter strenger Aufsicht in der «Azienda Agraria Cantonale di Mezzana» (kantonale Landwirtschaftsschule) produziert. Der Ronco, ein intensiver Merlotwein, belegt bei den besten Weinprämierungen (Expovina, Grand Prix du Vin Suisse, Mondial du Merlot & Assemblages ...) mit zahlreichen Gold- und Silbermedaillen immer wieder Podestplätze.

Die Klassischen

Chasselas, Pinot Noir, eine Spur Gamaret oder Sauvignon Blanc ... Einige Kantone setzen auf sichere Werte mit den Sorten, die sich bewährt haben. In Neuenburg, Graubünden oder Genf ist das der Fall. Gleichzeitig werden dort aber auch neue Rebsorten getestet, beispielsweise Divico (grosse Goldmedaille 2020 und mehrere weitere Auszeichnungen) und Divona, zwei Entwicklungen von Agroscope.

Die verschiedenen Rebsorte

In der Schweiz werden zumeist die Rebsorten Pinot Noir und Chasselas angepflanzt. Immer mehr Weingüter experimentieren mit neuen Sorten.

Quelle : Swiss Wine

Die Königsmacher

Einige Kantone besitzen keine eigene Domaine, sondern küren jährlich einen Wein des Kantons oder der Region, der sie an offiziellen Anlässen repräsentiert. Diese Idee ist dem Aargau zu verdanken (siehe Interview mit Markus Dieth), der seit 2005 so vorgeht. Dem Beispiel gefolgt sind die beiden Basel und Bern. Ab 2023 wird auch der Thurgau das Format übernehmen. Der Ablauf ist einfach: Die Winzer senden ihre besten Weine ein, die dann von einer Jury mit Mitgliedern aus Politik, Gastronomie und Weinbau oder Persönlichkeiten der Medienbranche bewertet werden. Bei Stimmengleichheit entscheidet die oder der für das betroffene Departement zuständige Regierungsrätin oder Regierungsrat.

Basel-Stadt und Basel-Landschaft küren seit letztem Jahr gemeinsam einen Wein, der die beiden Kantone repräsentiert. Basel-Landschaft zeichnet bereits seit 2016 Staatsweine aus. Auch Winzer aus den Nachbarkantonen Solothurn und Aargau können ihre Weine einreichen.

«Es gibt viele grossartige Aargauer Weine»

Markus Dieth, Aargauer Regierungsrat und zukünftiger Präsident der KdK, präsidiert die Jury, die den Staatswein kürt.

Seit wann gibt es die Staatsweinkürung im Kanton Aargau?
Markus Dieth:
Die Kürung der Aargauer Staatsweine wurde vor 17 Jahren eingeführt. Mittlerweile haben auch andere Kantone das Format übernommen und küren ihre eigenen Staatsweine. Die Auszeichnung «Aargauer Staatswein» ist nicht nur Krönung der Arbeit der Winzer und Kellermeister, sie ist auch eine hervorragende Werbeplattform für die Sieger und für die Weinkultur Aargau.

Sprechen sich die Kantone untereinander ab, um eine gewisse Harmonie zwischen den Staatsweinen zu erreichen?
Ich würde sagen, eine gewisse Harmonie besteht schon, aber so unterschiedlich die verschiedenen Reblagen sind, so anders und vielfältig sollen die Staatsweine auch sein.

Was macht den Aargauer Wein aus?
Die Weissweine sind von einer eleganten Aromatik geprägt und von einer feinen Säure unterstützt. Bei den Rotweinen vinifizieren die Kellermeisterinnen und Kellermeister von sehr fruchtigen Blauburgundern bis hin zum im Barrique ausgebauten Merlot oder Malbec. Es gibt viele grossartige Aargauer Weine und ich entdecke immer wieder neue Lieblingsweine, wie z. B. dieses Jahr den Souvignier gris von Bruno Hartmann, Remigen (Staatswein Weisse Spezialitäten 2022).

Die Outsourcer

Der Kanton Freiburg besitzt 2,2 Hektaren Rebflächen im Vully und etwa 15 im Waadtländer Lavaux. Diese Enklave geht nicht auf den Erwerb der Parzelle im 19. Jahrhundert zurück, sondern war schon seit ganzen 700 Jahren im Eigentum anderer Freiburger – der Mönche des Klosters Hauterive.

In Zürich wird Zusammenarbeit grossgeschrieben: Seine sieben Staatsweine werden aus Trauben von rund 100 Produzenten aus 26 Gemeinden gekeltert. Diese grosse gemeinsame Anstrengung findet danach ihren Weg in die Keller der Mövenpick AG, an welche der Kanton 1997 sein Label «Staatswein» und den Internet-Domain-Namen staatskellerei.ch verkauft hat. Die Staatskellerei bietet ein breites und innovatives Sortiment, das auch einige Flaschen Schaumwein und Spirituosen zum Ausklang von Anlässen umfasst.

Urteil

2014 hatte die «NZZ am Sonntag» 16 Staatsweine von einer Jury bewerten lassen. Dabei ging der Pinot Noir Barrique 2012 des Kantons St. Gallen als bester hervor und deklassierte die Weine der anderen Rebbaukantone. Da seither keine solche Degustation mehr durchgeführt worden ist, obliegt es den Leserinnen und Lesern zu beurteilen, welcher Staatswein derzeit in der Schweiz der beste ist.

«Wir suchen einen Wein, der zum Thurgau und seinen Menschen passt»

Walter Schönholzer, conseiller d’État thurgovien et président du premier jury qui désignera le vin qui représentera le canton.

La Thurgovie a récemment décidé de servir un vin d’État à partir de 2023. Pourquoi ?

Le canton possède de très bons vins issus de ses deux domaines d’Arenenberg et de Kalchrain, mais il ne mettait pas en valeur ce patrimoine jusqu’ici. Le nouveau concours annuel des vins de l’État thurgovien nous permettra de faire mieux connaître les régions viticoles du canton. Nous servirons ce vin lors d’événements officiels et l’offrirons à nos hôtes, nos oratrices et orateurs et nos visiteuses et visiteurs. Ce sera une opération de prestige. Chaque année, j’aurai le plaisir et le grand honneur d’accueillir une personnalité au sein du jury final, qui ne sera autre que la présidente du Conseil des États Brigitte Häberli lors de cette première édition.

À quoi reconnaît-on un bon vin thurgovien ?

Les vins de Thurgovie se distinguent avant tout par leur qualité. On ne trouve pas de vin produit en masse par ici. La superficie viticole du canton s’étend sur 238 hectares, ce qui explique l’impressionnante diversité des crus, favorisés par le doux climat lacustre, les sols profonds riches en minéraux et le remarquable savoir-faire des maîtres de chai. Il y a autant de vins de caractère, puissants et riches que de vins originaux, ronds, doux et souples. Nous sommes bien entendu particulièrement fiers que nombre d’entre eux portent l’appellation du canton (N.D.L.R. le cépage müller-thurgau).

La Thurgovie met-elle un point d’honneur à fabriquer un vin qui se distingue des autres vins cantonaux ?

Les vins de Thurgovie expriment les personnalités des 159 vignerons et vigneronnes du canton. Nous voulons que notre vin d’État récompense l’individualité et l’innovation caractéristiques de notre branche. Nous avons la certitude que les papilles de chacun des membres du jury final, composé essentiellement de peronnes de la région, sauront découvrir le meilleur cru pour représenter notre canton. Ce sera un vin fidèle à l’identité thurgovienne et les autres cantons n’auront pas leur mot à dire.

Quels vins d’État ont votre préférence ? Vous avez certainement eu l’occasion d’en goûter beaucoup.

Je suis un grand amateur de vin, qui ne cache pas sa fierté pour les produits de notre canton. Ils m’inspirent un merveilleux sentiment d’appartenance. Mes préférés sont le pinot noir, le garanoir, le merlot, le chasselas et, évidemment, le müller-thurgau. J’aime aussi les vins italiens et français ayant du corps, et je suis ouvert à la nouveauté. Je pense par exemple aux cépages PIWI (N.D.L.R. résistants aux maladies fongiques). Les vins ont tous une histoire à raconter et je garde spécialement en mémoire un merlot Riserva del Consiglio di Stato du Tessin.

Zur Autorin

Mélanie Haab ist Kommunikationsbeauftragte bei der ch Stiftung. Sie besitzt einen Abschluss in Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Freiburg. In vormaliger Tätigkeit hat sie für verschiedene Medien als Journalistin gearbeitet.

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