Die KdK hat die Rolle der Kantone gefestigt
Philippe Flück, 27. Juni 2023
Knapp 30-jährig: Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) ist eine relativ junge Institution in der Geschichte des Bundesstaates. Seit ihrer Gründung 1993 hat sie ihren Platz im föderalistischen System der Schweiz gefunden.
Seit der Schaffung des Bundesstaates 1848 hat sich im Verlauf seiner Weiterentwicklung immer deutlicher gezeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit und ein gemeinsames Vorgehen für die Kantone ist. So wurden nach und nach Fachkonferenzen ins Leben gerufen. Die älteste von ihnen, die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren, feierte 2022 ihr 125-jähriges Jubiläum! In den Konferenzen werden staatspolitische Fragen erörtert, gemeinsame Lösungen erarbeitet und die Modalitäten der Zusammenarbeit mit dem Bund festgelegt.
Die Gründung der KdK am 8. Oktober 1993 war ein wichtiger Schritt. Sie vereint und vertritt die Kantonsregierungen insgesamt und nicht mehr allein in spezifischen Wirkungsfeldern. Man hätte erwarten können, dass der Ständerat, in dem auch heute noch zahlreiche ehemalige kantonale Regierungsmitglieder Einsitz nehmen, diese Rolle wahrnimmt. Aber die Ständerätinnen und Ständeräte sind nicht (oder seit 1979 nicht mehr) die Delegierten der Kantone: Sie werden durch das Volk gewählt. Parteipolitische und kantonale Interessen können aufeinanderprallen.
Die Idee einer «Konferenz der Kantone» kam innerhalb der ch Stiftung auf. Diese war 1967 gegründet worden, um die interkantonale Zusammenarbeit in den Bereichen innerer Zusammenhalt und Föderalismus zu stärken. Ihr wurde später auch die Führung des Generalsekretariats der KdK übertragen. Der Gedanke reifte in den Seminaren für die Mitglieder der Kantonsregierungen, die Anfang der 1970er-Jahre und Ende der 1980er-Jahre organisiert wurden. Innerhalb der Stiftung wurden gleichzeitig mehrere Initiativen durchgeführt, um die Koordination der kantonalen Aktivitäten sicherzustellen. Die Kantone verstanden, dass sie dank einer intensiveren Zusammenarbeit ihre Eigenständigkeit und ihren Gestaltungs- und Handlungsspielraum wahren konnten.
Europa ist (auch) Sache der Kantone
Das Europadossier diente als Katalysator. Nach dem Ende des Kalten Krieges war die Rede von einer möglichen Mitgliedschaft der Schweiz in der Europäischen Union. Dieses Vorhaben wurde zwar nicht weiterverfolgt, aber die Arbeiten für einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) liefen auf Hochtouren. Nach dem Nein zum EWR in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1992 folgten die Verhandlungen über die bilateralen Abkommen. In beiden Fällen stellten die Kantone fest, dass die in Bern und Brüssel behandelten Dossiers direkte und konkrete Auswirkungen auf verschiedene ihrer Zuständigkeitsbereiche hatten.
Auslöser für die Schaffung einer neuen Konferenz war nicht nur die Aussenpolitik, die lange Zeit fast ausschliesslich dem Bund vorbehalten war. In den 1990er-Jahren gediehen auch die Projekte der Totalrevision der Bundesverfassung und der Klärung der Aufgabenteilung innerhalb des Bundesstaates. Das vom Bundesrat 1978 eingerichtete Kontaktgremium Bund–Kantone enttäuschte. Es war nicht paritätisch besetzt. Fortschritte in den Dossiers hingen zu stark vom Entgegenkommen des Bundes ab.
Die Kantone müssen als Einheit auftreten, um ihre Interessen geltend zu machen. Konsolidierte Positionen haben ein grösseres Gewicht in Diskussionen. Eine Struktur wie die KdK sollte dies ermöglichen. Jede der 26 Kantonsregierungen ist in der Plenarversammlung vertreten und hat eine Stimme. Ein Beschluss, der mindestens 18 Stimmen erhält, gilt als gemeinsame Position der Konferenz.
Zusammenarbeit auf allen Stufen ...
Kaum war die neue Konferenz von den Kantonen 1993 aus der Taufe gehoben worden, organisierte sie sich. Sie übernahm die Finanzierung der Position des Informationsbeauftragten der Kantone in Brüssel. Schon bald wurde auch ein Informationsbeauftragter in der für das Europadossier zuständigen Stelle in der Bundesverwaltung eingesetzt. Seit 1997 finden die Kontakte zwischen Bundesrat und Kantonen via KdK im Rahmen des Föderalistischen Dialogs und seit 2012 auch im Rahmen des Europadialogs statt.
Die Konferenz knüpft auch Beziehungen zum Ständerat. Dessen Büro und der Leitende Ausschuss der KdK treffen sich regelmässig. Am Stammtisch der Kantone tauschen sich Ständerätinnen und Ständeräte mit Mitgliedern der Kantonsregierungen zu aktuellen politischen Themen aus.
Die Zusammenarbeit auf allen Staatsebenen wurde intensiviert und institutionalisiert. In den 2000er-Jahren begleiteten verschiedene Gremien die Arbeiten im Zusammenhang mit der Raumplanung und -entwicklung auf verschiedenen staatlichen Ebenen: die Tripartite Konferenz und das Raumkonzept Schweiz. Ausserdem gewährleistet die KdK die interkantonale Koordination im Bereich der Politik zur Integration von Ausländerinnen und Ausländern. Bei der Digitalisierung trugen die Kantone zur Schaffung der Digitalen Verwaltung Schweiz bei, die seit 2022 operativ ist.
... und Grundlagenarbeit
Darüber hinaus leistet die KdK echte Grundlagenarbeit. Sie wirkte bei den Arbeiten zur Totalrevision der Bundesverfassung mit, die zusammen mit einem neuen Gesetz die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes festschrieb. Ein weiteres langfristiges Projekt, für das sich die Konferenz engagierte, war die Reform des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), die nach über fünfzehnjähriger Vorbereitungsarbeit 2008 in Kraft trat und die Grundlagen des Föderalismus erneuerte.
Weiter leisteten die Kantone einen aktiven Beitrag zum komplexen Unterfangen, das Dilemma der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zu lösen. Der vom Stimmvolk angenommene neue Artikel 121a der Bundesverfassung sieht Kontingente und Höchstzahlen vor, die nicht mit der Personenfreizügigkeit vereinbar sind. Die letztlich gewählte gesetzliche Lösung stammte aus den Reihen des Parlaments.
Die Kantone als wichtiges Bindeglied
Zwei Geschäfte hoben sich ab und verdeutlichten die unverzichtbar gewordene Rolle der KdK und der Kantone für das Funktionieren des Bundesstaates.
Anfang der 2000er-Jahre (bereits!) standen mehrere Steuerdossiers an: Abschaffung der Heiratsstrafe, Revision der Wohneigentumsbesteuerung, Stempelabgaben. Das Massnahmenpaket, das nach Abschluss der parlamentarischen Arbeiten vorlag, missfiel den Kantonen. Die Rechnung schmerzte (geschätzte Ausfälle von jährlich 2,5 Milliarden Franken für die Finanzen von Kantonen und Gemeinden) und der Teil der Vorlage zur Wohneigentumsbesteuerung stiess auf heftige Kritik.
Erstmals seit der Einführung 1874 wurde ein Kantonsreferendum ergriffen. Die Finanzdirektorenkonferenz und die KdK trugen wesentlich zu den Koordinations- und Unterstützungsarbeiten bei. Damit eine Volksabstimmung über ein Bundesgesetz (oder bestimmte andere Vorlagen) zustande kommt, müssen mindestens acht Kantone dies verlangen. Es waren dann elf. Am 16. Mai 2004 fiel der Entscheid: Das Steuerpaket wurde vom Volk deutlich abgelehnt. Auch alle Kantone sagten Nein zur Vorlage.
Mitte der 2010er-Jahre kam erneut die Idee eines Kantonsreferendums auf. Das 2008 eingeführte System des Finanzausgleichs wurde zwar nicht insgesamt in Frage gestellt, sollte aber effizienter, fairer und transparenter werden. Die Kantone hatten unterschiedliche Interessen. Die Beratungen in den eidgenössischen Räten führten zu keiner zufriedenstellenden Lösung. Deshalb setzte die KdK eine Arbeitsgruppe unter Leitung des früheren Schwyzer Finanzdirektors Franz Marty ein (wofür er später mit dem Föderalismuspreis ausgezeichnet wurde). 2017 wurde ein Kompromiss gefunden, der die überwiegende Mehrheit der Kantone überzeugte. 2018 schloss sich der Bundesrat, 2019 auch das Parlament der Lösung an. 2020 trat die Optimierung des Finanzausgleichs in Kraft.
Zum Autor
Philippe Flück ist Kommunikationsbeauftragter bei der Konferenz der Kantonsregierungen. Er hat an der Universität Genf ein Lizenziat in Politikwissenschaft erworben und war zunächst als Journalist tätig. Er arbeitete insbesondere als Bundeshausredaktor für die SDA.