Kan­to­na­le Me­di­en­för­de­rung: Das Bei­spiel Bern

Alex­an­der Arens, 5. Ok­to­ber 2022

«Ein wenig nei­disch», so Mat­thi­as Aebi­scher, sei er als Bun­des­par­la­men­ta­ri­er schon. Bern mache mit sei­nem Me­di­en­ge­setz vor, was im Bund nicht mög­lich war. Im Polit-​Forum herrscht Ei­nig­keit, dass lo­ka­le, re­gio­na­le und kan­to­na­le Me­di­en ge­för­dert wer­den müs­sen. Un­klar bleibt, wie Schwei­zer Me­di­en­häu­ser zu jun­gen Men­schen durch­drin­gen.

Einen Ver­such hat der Kan­ton Bern be­reits Ende der 1990er-​Jahre un­ter­nom­men. Da­mals kam ein Ge­setz zur För­de­rung der Viel­falt der kan­to­na­len Me­di­en­land­schaft nicht zu­stan­de.1 Es ist aus­zu­schlies­sen, dass die Mehr­heit im Gros­sen Rat den Wert der Me­di­en­viel­falt ver­kann­te. Viel­mehr war der Gros­se Rat nicht über­zeugt vom Ge­setz und woll­te ins­be­son­de­re keine neue staat­li­che Auf­ga­be schaf­fen. Die fi­nan­zi­ell an­ge­spann­ten Kan­tons­fi­nan­zen taten ihr Üb­ri­ges.

Die Rah­men­be­din­gun­gen des Me­di­en­schaf­fens haben sich seit­dem aber wei­ter ge­wan­delt. Wäh­rend die «Te­le­ma­tik», also die in­ter­net­ba­sier­te Da­ten­über­tra­gung, da­mals eher im Be­reich der Wirt­schafts­för­de­rung ver­or­tet wurde2, so bil­det sie seit­dem den Aus­gangs­punkt sämt­li­cher Ent­wick­lun­gen im Me­di­en­markt. Die An­kün­di­gung von Ta­me­dia 2017, die Re­dak­tio­nen von Bund und Ber­ner Zei­tung zu­sam­men­zu­le­gen, hat zwei­fels­oh­ne die Dis­kus­si­on um die Me­di­en­viel­falt im Kan­ton neu lan­ciert. Nun steht eine Re­form vor dem Ab­schluss, die eine in­di­rek­te Me­di­en­för­de­rung eben­so wie Mass­nah­men zur För­de­rung der Me­di­en­kom­pe­tenz er­mög­licht (siehe In­fo­box).

Ein Rah­men, der sich erst noch be­wäh­ren muss

Staats­schrei­ber Chris­toph Auer, der am Me­di­en­talk vom 14. Sep­tem­ber im Polit-​Forum Bern das neue Ber­ner Me­di­en­ge­setz vor­stellt, be­tont, um was es der Re­gie­rung und dem Par­la­ment hier geht: die För­de­rung lo­ka­ler, re­gio­na­ler und kan­to­na­ler Be­richt­erstat­tung. Na­tio­nal­rat Mat­thi­as Aebi­scher (SP) ist ob der Re­form denn auch «ein wenig nei­disch»: Vie­les, was der Bund beim Stimm­volk nicht durch­ge­bracht habe, mache der Kan­ton Bern nun mög­lich. Staats­chrei­ber Auer warnt je­doch vor zu hohen Er­war­tun­gen. Zudem müss­ten De­tails noch in der Ver­ord­nung ge­re­gelt wer­den und auch Geld sei noch kei­nes bud­ge­tiert. So­phie Ho­stett­ler, pu­bli­zis­ti­sche Lei­te­rin des Bie­ler Me­di­en­hau­ses Gass­mann, gibt eben­so zu be­den­ken, dass Pla­nungs­si­cher­heit mit der Fi­nan­zie­rung ein­zel­ner, zeit­lich be­fris­te­ter Pro­jek­te nicht mög­lich sei.

Dass es viel­fäl­ti­ge Me­di­en braucht, die in hoher Qua­li­tät über das Lo­ka­le, Re­gio­na­le und Kan­to­na­le be­rich­ten, ist un­be­strit­ten. So­phie Ho­stett­ler sieht hier aus Sicht der Me­di­en­bran­che ver­schie­de­ne Her­aus­for­de­run­gen: etwa bei der Re­kru­tie­rung des Nach­wuch­ses und bei der di­gi­ta­len Trans­for­ma­ti­on. Diese müsse zwei­fels­frei ge­lin­gen, je­doch ver­lan­ge ge­ra­de die be­deu­ten­de Ziel­grup­pe der eher äl­te­ren Men­schen eine ge­druck­te Zei­tung, die na­tur­ge­mäss kos­ten­in­ten­siv sei: Von einem Jah­res­a­bo­preis des Bie­ler Tag­blatts von gut 500 Fran­ken ent­fal­len rund 70 Fran­ken auf den Druck und zirka 150 auf die Früh­zu­stel­lung. Mit die­sen 280 Fran­ken sei noch keine ein­zi­ge Re­cher­che be­zahlt.

«Vie­les, was der Bund beim Stimm­volk nicht durch­ge­bracht hat, macht der Kan­ton Bern nun mög­lich.»
Na­tio­nal­rat Mat­thi­as Aebi­scher (SP) beim Me­di­en­talk im Polit-​Forum Bern am 14.Sep­tem­ber 2022.

© Da­ni­elle Li­ni­ger

Di­rek­te Me­di­en­för­de­rung: Ein Nein mit Aus­nah­men

Das Ber­ner Me­di­en­ge­setz bringt neben der in­di­rek­ten Me­di­en­för­de­rung auch An­pas­sun­gen im Son­der­sta­tuts­ge­setz mit sich. Von der hier be­reits an­ge­leg­ten di­rek­ten Me­di­en­för­de­rung im Ber­ner Jura sowie von französisch-​ oder zwei­spra­chi­gen Me­di­en in Biel sol­len künf­tig nicht mehr nur Ra­dio­ver­an­stal­ter, son­dern alle Me­di­en pro­fi­tie­ren. Die Ber­ner Gross­rä­tin und Spre­che­rin der für das Ge­setz zu­stän­di­gen Kom­mis­si­on, Ve­re­na Aebi­scher (SVP), be­tont, dass dies im Rat un­be­strit­ten ge­we­sen sei. Für Mat­thi­as Aebi­scher ist klar: Die Schweiz und die Kan­to­ne schau­en zu ihren Min­der­hei­ten. Auf­grund der be­grenz­ten Grös­se, der wei­ten Wege und des dünn be­sie­del­ten Ge­biets sei die Pro­duk­ti­on und Be­reit­stel­lung von Me­di­en im fran­zö­sisch­spra­chi­gen Kan­tons­ge­biet teuer, eine di­rek­te Un­ter­stüt­zung also un­be­dingt an­ge­zeigt.

Eine di­rek­te Me­di­en­för­de­rung hätte Mat­thi­as Aebi­scher be­reits gerne im Bund ge­se­hen und würde diese auch im gan­zen Kan­ton Bern be­für­wor­ten. Di­rek­te För­de­rung würde na­tür­lich hel­fen, so So­phie Ho­stett­ler – Stich­wort: Pla­nungs­si­cher­heit. Der Fall des wäh­rend der Pan­de­mie in Schief­la­ge ge­ra­te­ne Fru­tig­län­der, so ein Votum aus dem Pu­bli­kum, zeige zudem, dass dies auf Ge­mein­de­ebe­ne be­reits er­folg­reich prak­ti­ziert werde. Ve­re­na Aebi­scher ord­net hier ein, dass in Not­si­tua­tio­nen schnell und un­kom­pli­ziert Hand ge­bo­ten wer­den könne.

Junge Men­schen: Der Ele­fant im Raum

Immer wie­der dreht sich die Dis­kus­si­on um junge Men­schen, die Zei­tungs­le­se­rin­nen und -​leser von (spä­tes­tens) mor­gen. Diese seien kei­nes­falls des­in­ter­es­siert oder po­li­tisch un­ge­bil­det. Sie wür­den sich aber ein­fach nicht für die klas­si­schen Me­di­en und deren An­ge­bo­te in­ter­es­sie­ren. Be­reits als die hohen Prei­se von Print­pro­duk­ten an­ge­spro­chen wur­den, wurde klar, dass ge­ra­de junge Men­schen weder fähig noch ge­willt sein dürf­ten, diese zu zah­len. Dazu kommt, so So­phie Ho­stett­ler, dass man die treue Le­ser­schaft nicht aus den Augen ver­lie­ren dürfe, die ge­ra­de im Lo­ka­len mit ihren Abos über­le­bens­wich­tig sei. Ein Spa­gat, der hier nötig sei. Der Kreis könn­te sich nun aber schlies­sen: Ge­ra­de die in­di­rek­te Me­di­en­för­de­rung soll mit zeit­lich be­fris­te­ten Pro­jekt­gel­dern und dem rich­ti­gen Rah­men mit­un­ter bei der di­gi­ta­len Trans­for­ma­ti­on un­ter­stüt­zen.

Gleich­wohl sind krea­ti­ve Ideen wei­ter­hin drin­gend ge­fragt, die auf­zei­gen, wie genau es Me­di­en­häu­sern ge­lin­gen könn­te, junge Men­schen in Ge­gen­wart und Zu­kunft zu er­rei­chen. Mit Mat­thi­as Aebi­scher bleibt das Prin­zip Hoff­nung: «Bei gros­sen Er­eig­nis­sen – da­zu­mal 9/11, kürz­lich die Pan­de­mie und jetzt der Ukraine-​Krieg – kom­men alle ans La­ger­feu­er. Je we­ni­ger Me­di­en es aber gibt und je stär­ker man an­de­re Ka­nä­le nutzt, umso grös­ser ist die Ge­fahr, dass sie spät oder gar nicht mehr kom­men.» Das Ber­ner Me­di­en­ge­setz wirke hier ent­ge­gen und sei damit ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung.

Mo­de­riert von Mat­thi­as Bau­mer, Jour­na­list Radio SRF Re­gio­nal­jour­nal BE FR VS, dis­ku­tier­ten So­phie Ho­stett­ler, pu­bli­zis­ti­sche Lei­te­rin des Bie­ler Me­di­en­hau­ses Gass­mann; Ve­re­na Aebi­scher, Gross­rä­tin SVP, Spre­che­rin der zu­stän­di­gen Kom­mis­si­on; und Mat­thi­as Aebi­scher, Na­tio­nal­rat SP, am 14. Sep­tem­ber 2022 im Polit-​Forum Bern die Frage, «wel­che Me­di­en­po­li­tik für den Kan­ton Bern?». Der Me­di­en­talk wurde ein­ge­lei­tet durch ein In­put­re­fe­rat von Chris­toph Auer, Staats­schrei­ber des Kan­tons Bern, mit dem Titel «Was ist das neue Me­di­en­ge­setz?». Die ge­sam­te Ver­an­stal­tung wurde auf­ge­zeich­net und steht on­line zu Ver­fü­gung.

In­fo­box

Die Basis der Me­di­en­po­li­tik im Kan­ton Bern wird auf Stufe Ver­fas­sung ge­legt. So schreibt Art. 46 Abs. 1 KV-BE die grund­sätz­li­che Mög­lich­keit zur Me­di­en­för­de­rung fest: «Der Kan­ton un­ter­stützt die Un­ab­hän­gig­keit und Viel­falt der In­for­ma­tio­nen.»

Auf Ge­set­zesstu­fe, ge­nau­er, im Son­der­sta­tuts­ge­setz (SStG) wer­den di­rek­te Fi­nanz­hil­fen an Me­di­en­un­ter­neh­men er­mög­licht. Diese di­rek­te Me­di­en­för­de­rung des Kan­tons Bern ist se­lek­tiv aus­ge­stal­tet, so­dass Fi­nanz­hil­fen ge­mäss Art. 63 Abs. 1 SStG (sowie Art. 64–66 SStG) an lo­ka­le oder re­gio­na­le Me­di­en im Ber­ner Jura oder an fran­zö­sisch­spra­chi­ge lo­ka­le und re­gio­na­le Me­di­en im Ver­wal­tungs­kreis Biel/Bi­en­ne ge­währt wer­den kön­nen. Wäh­rend sich die di­rek­te Me­di­en­för­de­rung bis­her aus­schliess­lich auf das Me­di­um Radio be­schränkt, sol­len zu­künf­tig alle Me­di­en davon pro­fi­tie­ren kön­nen.

Die neue in­di­rek­te Me­di­en­för­de­rung ist im Ge­setz über die In­for­ma­ti­on und die Me­di­en­för­de­rung (IMG) ge­re­gelt.3 Die­ses wurde vom Gros­sen Rat des Kan­ton Bern am 5. Sep­tem­ber 2022 ein­stim­mig ver­ab­schie­det. Die De­fi­ni­ti­on von Me­di­en ist hier weit­ge­fasst, so­dass Pres­se eben­so wie Audio-​ und Vi­deo­for­ma­te zu den po­ten­zi­ell Be­güns­tig­ten ge­hö­ren (Art. 2b IMG). Ent­schei­dend ist, dass es sich um In­for­ma­ti­ons­an­ge­bo­te han­delt, die all­ge­mein zu­gäng­lich sind und nach pu­bli­zis­ti­schen und jour­na­lis­ti­schen Re­geln er­ar­bei­tet wur­den. Die För­de­rung ist zudem un­ab­hän­gig vom Ge­schäfts­mo­dell. Der Zweck der Mass­nah­men wird eben­so deut­lich: die Stär­kung der Be­richt­erstat­tung zu po­li­tisch re­le­van­ten kan­to­na­len, re­gio­na­len und lo­ka­len The­men (Art. 34a IMG). Die Mass­nah­men der in­di­rek­ten Me­di­en­för­de­rung (Art. 34b Abs. 2 IMG) kön­nen kon­kret die Form von Fi­nanz­hil­fen zu­guns­ten von Nach­rich­ten­agen­tu­ren (Art. 34c Abs. 1a IMG), di­gi­ta­len Platt­for­men (Art. 34c Abs. 1b IMG), Stif­tun­gen (Art. 34c Abs. 1c IMG) und For­schungs­ein­rich­tun­gen (Art. 34c Abs. 1d IMG) an­neh­men. Die Ge­set­zes­än­de­rung er­mög­licht auch Mass­nah­men zur För­de­rung der Me­di­en­kom­pe­tenz (Art. 34f IMG). Falls nicht das Re­fe­ren­dum er­grif­fen wird, be­stimmt der Re­gie­rungs­rat im nächs­ten Schritt das Datum des In­kraft­tre­tens.

Re­fe­ren­zen

1 Staats­kanz­lei (1998): Tag­blatt des Gros­sen Rates vom 31. Au­gust und 1. Sep­tem­ber 1998 (Sep­tem­ber­ses­si­on) – Ge­setz über die Me­di­en­för­de­rung (Me­di­en­för­de­rungs­ge­setz MFG). Kan­ton Bern (S. 515–522). Be­schluss vom 1. Sep­tem­ber 1998 auf Nicht­ein­tre­ten mit 91 zu 80 bei 3 Ent­hal­tun­gen.

2 Staats­kanz­lei (1997): Vor­trag des Re­gie­rungs­ra­tes an den Gros­sen Rat be­tref­fend Ge­setz über die Me­di­en­för­de­rung (Me­di­en­för­de­rungs­ge­setz MFG). Kan­ton Bern (S. 2).

3 Staats­kanz­lei (2022): 2019.STA.544: Re­fe­ren­dums­vor­la­ge. Kan­ton Bern.
Siehe auch https://www.gr.be.ch/de/start/ge­scha­ef­te/ge­scha­efts­su­che/ge­scha­efts­de­tail.html?guid=cc6c491b3a834b9ab3b7eb64648c4699 (zu­letzt ge­öff­net am 27. Sep­tem­ber 2022) für die ganz­heit­li­che Do­ku­men­ta­ti­on.


Zum Autor

Alex­an­der Arens ist Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter bei der ch Stif­tung. Er hat am In­sti­tut für Po­li­tik­wis­sen­schaft der Uni­ver­si­tät Bern pro­mo­viert.

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