Doppelter Proporz ganz einfach
Workshops zum neuen Wahlsystem im Kanton Graubünden
Beat Hatz, Alicia Joho und Martin Aubert, 28. November 2024
Dank der Zusammenarbeit zwischen dem Kanton Graubünden und dem Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ konnten sich rund 700 Schülerinnen und Schüler in die Feinheiten und Auswirkungen des neuen kantonalen Wahlsystems vertiefen. Das Projekt kann mit den gewonnenen Erkenntnissen als Vorbild für andere Kantone dienen.
Im Jahr 2022 hat der Kanton Graubünden ein neues Wahlsystem für die Wahl des Grossen Rates eingeführt. Damit der Übergang von einem Mehrheitswahlrecht zu einem doppelten Proporzsystem für alle verständlich erklärt wird, haben das Sozialamt (SOA) und der DSJ zusammengespannt.
«Die aktive Partizipation unserer Jugendlichen ist essenziell für eine lebendige Demokratie. Indem wir sie in die politischen Prozesse einbeziehen, investieren wir in die Zukunft unserer Gesellschaft.»
Regierungsrat Marcus Caduff, Vorsteher Departement für Volkswirtschaft und Soziales
© Standeskanzlei Graubünden
Basierend auf ihrer breiten Erfahrung und Expertise haben easyvote und engage.ch, zwei Angebote des DSJ, einen massgeschneiderten Workshop für die Schülerinnen und Schüler des Kantons Graubünden entwickelt. Dabei standen spielerische und interaktive Methoden im Zentrum. So wurde insbesondere ein Wahlspiel konzipiert, damit die Schülerinnen und Schüler die Auswirkungen der neuen Wahlregeln auf die Wahlergebnisse direkt erleben können. easyvote und engage.ch entwickelten zudem Unterrichtsmaterialien für die Lehrkräfte, um ihnen zu ermöglichen, das Thema im Unterricht weiter zu behandeln.
Listen und Listengruppen, Ober- und Unterzuteilung… leicht erklärt!
«Aber wie genau überträgt sich meine Stimme in konkrete Grossratssitze im alten und im Vergleich zum neuen Wahlsystem?» Was kompliziert scheint, ist einfache Mathematik! Nach einer Einführung in Begriffe wie «Wahlkreis», «Majorz» und «Proporz» erlebten die Teilnehmenden der Workshops den Unterschied zwischen den Wahlsystemen mittels einer simulierten Wahl inklusive fiktiver Parteien und Wahlkreise hautnah: Sie stimmten selbst ab und sahen direkt, wie sich die beiden Methoden auf die Sitzverteilung im Grossen Rat auswirken. So konnte auf spielerische Weise aufgezeigt werden, wie unterschiedlich die Wahlsysteme die Repräsentation im Parlament beeinflussen.
Lange Distanzen, mehrere Sprachen, unterschiedliche Klassen
Die Geografie des Kantons führte dazu, dass die Workshopleitenden manchmal bis zu drei Workshops pro Tag an Schulen abhielten, welche zudem bis zu zwei Stunden voneinander entfernt waren. Für die Mehrsprachigkeit der Inhalte wurden zwei unterschiedliche Leitungsteams gebildet – eines für deutsch-, das andere für italienischsprachige Durchführungen.
Die Zielgruppe der Workshops umfasste die Sekundarstufen I und II, grosse Altersunterschiede also vorprogrammiert. Die Klassen bestanden zudem oft aus Jugendlichen, die (noch) nicht stimmberechtigt waren. Gleichzeitig musste jede Klasse auf dem passenden Vorwissensstand abgeholt werden. Darüber hinaus variierte die Klassengrösse und die Interaktivität der Inhalte musste stets daran angepasst werden. Schliesslich führte der «Live-Charakter» der Inhalte dazu, dass die Diskussionsfragen an die Ergebnisse des eingebauten Wahlspiels angepasst werden mussten.
Die Evaluation bei allen Teilnehmenden gab Grund zur Freude: Insbesondere das interaktive Wahlspiel wurde von den Schülerinnen und Schülern gelobt. Sie gaben an, den Impact ihrer Stimme gespürt zu haben, und fühlten sich bestärkt darin, an künftigen Wahlen (und Abstimmungen) teilzunehmen. Ausserdem schätzten sie die Leitung der Workshops durch externe Personen.
Eine gewinnbringende Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen DSJ und SOA hat sowohl die organisatorische als auch die inhaltliche Qualität des Projekts erheblich verbessert. Die Diskussionen und Rückmeldungen der Expertinnen und Vertreter des SOA waren höchst wertvoll, damit der DSJ die wesentlichen Punkte des neuen Wahlsystems herausschälen konnte. Auf organisatorischer Ebene erleichterte das SOA den Zugang zu den Schulen und die Vernetzung zwischen dem DSJ und den Lehrkräften. Schliesslich organisierte es die Teilnahme von Regierungsrat Marcus Caduff an einem Workshop, was die Sichtbarkeit des Projekts klar erhöhte.
Der DSJ konnte 21 Workshops durchführen, darunter zwei auf Italienisch. In zehn Kurstagen, verteilt auf drei Wochen, nahmen 16 Schulen den Workshop in ihren Unterricht auf. So konnten fast 700 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I und II davon profitieren – eine Bilanz, die sich sehen lässt.
Link zum Unterrichtsdossier für Schulen:
Workshop Wahlsystem - Workshop Wahlsystem (gr.ch)
Das Projekt
Das Projekt war eine der 17 Massnahmen des kantonalen Programms «Kinder- und Jugendpolitik» nach Artikel 26 des eidgenössischen Kinder- und Jugendförderungsgesetzes im Kanton Graubünden. Die für die Jahre 2020 bis 2023 geplanten Massnahmen dienten dem Erreichen der strategischen Ziele Förderung, Schutz und Partizipation. Bei der Umsetzung der einzelnen Programmpunkte standen die sprachliche, geographische und kulturelle Vielfalt des Kantons Graubünden im Zentrum. Die Planung und Umsetzung der Massnahmen erfolgten in interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Der DSJ
Der Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ ist das parteipolitisch neutrale, praxisorientierte Kompetenzzentrum für Politische Bildung und politische Partizipation von jungen Menschen. Oder kurz gesagt: Der DSJ will junge Menschen für Politik und die Teilhabe daran begeistern, denn niemand ist zu jung für Politik! Dieses Ziel verfolgt der DSJ mit der Förderung seiner Mitglieder, der Jugendparlamente, sowie mit seinen Angeboten easyvote und engage.ch. Damit bietet der DSJ eine breite Palette von Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen System der Schweiz an.
So stellt easyvote einfach verständliche und neutrale Informationen zu Abstimmungen und Wahlen bereit. Zudem unterstützt easyvote die Politische Bildung mit Wissensdossiers und Unterrichtsmaterialien zu politischen Grundlagen und aktuellen Abstimmungen. Dank den engage-Ateliers von engage.ch können sich Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I mit der Politik ihrer Gemeinde auf interaktive und konkrete Weise auseinandersetzen.
Autoren und Autorin
Beat Hatz, Abteilungsleiter Familie, Kinder und Jugendliche, Sozialamt Kanton Graubünden (Ansprechper-son für Rückfragen zum Programm der Kinder- und Jugendpolitik in Graubünden)
Alicia Joho, Bereichsleitung easyvote, und Martin Aubert, Bereichsleitung engage.ch (Ansprechpersonen für den Dachverband Schweizer Jugendparlamente)